Atelier Noir nu
Natalie Pinzauti und Nadine Migesel
Was macht Ihr heute beruflich?
Nadine: Ich bin Nadine. Ich lebe und arbeite seit ein paar Jahren in Köln. Nach meinem Studium an der ecosign habe ich mich mit meiner Kollegin Natalie zusammen selbstständig gemacht. Seither arbeite ich als Illustratorin und Tätowiererin im Atelier Noir nu. Mein Stil unterliegt einem stetigen Wandel sowie auch ich mich als Künstlerin immer weiterentwickle. Ein starkes Fundament bildet die klassische Antike mit ihren Mythen, Körperstudien und deren prägnanter Ästhetik. Grundsätzlich inspirieren mich auch die Surrealisten der 1920er Jahre, die aktuelle feministische Bewegung und die Natur, die mich umgibt. Mit ihrer Schönheit bildet sie die ursprünglichste Inspirationsquelle allen menschlichen Schaffens. Technisch bedeutet das: Oneliner-Zeichnungen, die eine komplexere Form auf ihre minimalen Grundattribute reduziert und aus einer einzigen Linie bestehen. Kupferstichartige Schraffur, die das Dargestellte aussehen lassen wie eine Zeichnung aus einem alten Biologiebuch. Und graphische Designs, die mit klaren Linien, schwarzen Flächen und surrealistischen Elemente an freiere, dadaistische Kollagearbeiten erinnern.
Neben dem Atelier beschäftige ich mich gerne mit allerlei anderen Projekten: Feminismus, Nachhaltigkeit und queere Themen interessieren mich am meisten. Was ist das Besondere am Tätowieren für mich? Aus dem Bereich der Illustration kommend, empfinde ich es als einen unglaublichen Vertrauensbeweis, wenn jemand mir die eigene Haut als Leinwand zu Verfügung stellt. Für mich ist es besonders schön, meine Zeichnungen für immer auf jemandem verewigen zu dürfen und somit einen kleinen Teil von mir mitzugeben. Ich erfahre viele sehr unterschiedliche, teils traurige, teils schöne, ungewöhnliche Geschichten und darf meinen eigenen Teil zu der jeweiligen beitragen. Tätowieren bedeutet für mich auch, meine eigenen Gefühle zu kanalisieren und in etwas Autonomes, Positiveres und Stärkeres zu verwandeln. Das ist eine große Stärke dieser kreativen und oft auch (selbst-) therapeutischen Arbeit. Kunst ist für mich einer der größten Autonomie- und Emanzipierungsprozesse. Tätowieren heißt für mich Erinnerungen schaffen, Mahnmale setzen, Menschen schmücken, Spuren hinterlassen. Meine große Leidenschaft ist: Griechische Mythologie und Aperol Spritz und perfekt kuratierte Playlists für jeden Anlass ;)!
Natalie: Wir sind hauptberuflich Tätowiererinnen. Da unser Schwerpunkt an der ecosign der Bereich der Illustration war, machen wir auch ab und an Illustrations-Aufträge aber das ist eher selten geworden. So übertragen wir nicht nur Illustrationen auf eine digitale Fläche oder Papier, sondern auch auf Haut. Ein ganz eigener intimer Prozess von Kreativität, der Arbeit am Körper und des direkten Austausches mit unseren Kund*innen. Zum Arbeitsalltag zählen natürlich das Tätowieren, der Kund*innen-Kontakt, Gespräche mit den Kolleg*innen, das Atelier in Schuss halten, viel mehr Büroarbeit als es uns lieb ist und ganz viel Abstimmung mit unserer Storemanagerin, die sich um den Online-Shop und um die Kund*innen-Kommunikation kümmert. Das ist aber nur ein kleines Stück vom Kuchen. Als Tätowiererin ist man nicht nur Kunstschaffende, sondern auch Entrepreneur. Wir managen unsere Social Media Accounts, machen Close ups von den gestochenen Tätowierungen für unser Portfolio. Zusätzlich gibt es auch eine Website (noirnu.de) und auch unsere eignen, die verwaltet und aktualisiert werden müssen. So können wir durchaus sagen: Es wird nie langweilig! Ein schöner und abwechslungsreicher Job, der viel Freiheiten und Austausch ermöglicht. Besonders cool: Wir können durch die Welt reisen und Guest Spots in anderen Tattoo Studios machen. Uns dadurch stetig technisch, künstlerisch und persönlich weiterentwickeln.
Zeigt uns was
Was hat Euch dazu bewegt, Design an der ecosign zu studieren?
Nadine: Ich wollte damals meinen Aktivismus mit kreativem, künstlerischen Schaffen verbinden und dachte, dass das Studium des nachhaltigen Designs meine beiden Leidenschaften gut verknüpfte.
Natalie: Die ecosign habe ich damals im Internet gefunden und besonders der nachhaltige Aspekt hat mich direkt angesprochen. Gezeichnet habe ich schon immer viel, war aber nicht sicher, was ich beruflich damit anfangen könnte und habe zunächst Umweltwissenschaften studiert. Das lag mit aber nicht so und ich musste mich neu ausrichten und sah Nachhaltigkeit und Kunst im Konzept der ecosign perfekt repräsentiert. Ich habe auch alle Fachbereiche mal ausprobiert, mir war aber schnell klar, dass ich mich mit Stift auf Papier am wohlsten fühle.
Welche Skills hat das Studium an der ecosign besonders gefördert?
Nadine: Kritikfähigkeit! Konstruktiv Kritik zu geben, Kritik anzunehmen und durch die Augen anderer auf die eigene Arbeit zu gucken. Ich war früher eine ziemliche Einzelkämpferin und habe in den letzten Jahren des Studiums durch Gruppen- oder Partner:innen-Projekte auch definitiv gelernt, nicht alle Dinge selbst machen zu müssen und alles selbst tun zu können, sondern sich Expertinnen ins Boot zu holen, um so weitflächiger aufgestellt zu sein und mir eine eigene Nische zu suchen, in der ich sehr gut wurde und eine gewisse Kompetenz aufbauen konnte.
Natalie: Ich konnte viele verschiedene Zeichentechniken ausprobieren, durch angebotene Kurse mit verschiedenen Schwerpunkten. Besonders Freude hatte ich an Aktmalerei und auch die Animationskurse waren toll. Einfach mal die Zeichnungen zum Leben erwecken. Auch besonders hilfreich im Studium an der ecosign: Die vielen Besprechungsrunden. Feedback lernen konstruktiv zu geben und auch zu erhalten. Wie auch seine gestalterischen Arbeiten vor Publikum vorzustellen. Echt hilfreich fürs spätere Auftreten, Selbstbewusstsein und Umgang mit Kritik.